Desparado - Flucht
- Details
- Geschrieben von Vikate
Ich trat aus dem dichten Urwald hinaus in die xidurianische Steppe. Die Sonne brannte. Ich zog mir den Hut tiefer ins Gesicht. Mir war heiß, ich schwitzte, der in der Luft herumwirbelnde Staub klebte sofort überall fest. Ich dachte nur: „Verdammt“ und zündete mir erst einmal den Rest der Zigarre an, den ich in irgendeiner Tasche fand.
Ich war alleine mit der Prärie. Ich und meine Bong. Meine gute, treue Bong. Der einzige Freund, der mir blieb. Sie sah mich erwartungsvoll an, irgendwie erleichtert, aufgeregt, nahezu hoffnungsfroh. Sie hatte sich im Wald nicht wohl gefühlt, es war ihr dort zu voll, zu feucht und zu dunkel gewesen. Beruhigend tätschelte ich ihren Hals. Dankbar biss sie mich in die Schulter.
„AU! Scheissvogel …“ murmelte ich, bis in die Zehenspitzen entspannt. So war es, das Gesetz der Prärie: Entweder Du jammerst und endest als bleichendes Skelett, als Futter für die Geier oder Du bist cool. Das kann man nicht lernen.
Eine Weile standen wir so da. Ich musste mich erst in mein neues Leben einfinden. Es war das dritte. Geboren im Wasser, alt geworden in einem überdimensionierten Bad mit Echsenbefall und jetzt hier. Aber es gab keinen Raum für Zweifel. Ich musste da raus, immer den rollenden Büschen folgend.
Ich blickte in die endlose Weite. Ob ich sie wohl jemals finde? Irgendwo jenseits dieser endlos scheinenden Steppe würden sie auf mich warten. Die Kinder sind schon groß und werden mich nicht kennen. Es ist nicht schlimm, dass sie ohne Vater aufwuchsen. Das würde sie hart machen. Es ist eine harte Welt, gnadenlos und sie spuckt Dir ins Gesicht, solltest Du versuchen, nett zu sein.
Langsam bewegte ich den Zigarrenstummel mit den Lippen von einem Mundwinkel in den anderen.
Bong sah mich an, mit nicht allzu intelligenten Augen, legte den Kopf schief und hob die großen Flügel, als forderte sie mich zum Tanz auf.
Ich fand sie in Gefangenschaft einiger Banditen, die sie als Träger und wandelnden Fleischvorrat benutzten. Die Bastarde hatten keine Zeit zu sehen, wie der Leibwächter der Hydra sie in die ewigen Jagdgründe beförderte. Zuerst wusste ich nicht, was ich mit einem so großen Vogel anfangen sollte, aber sie klammerte sich an mich, wie eine alte Hure auf Tripper. Also blieb sie.
Zusammen waren wir so lange im Kreis durch den Urwald gelaufen, bis ich die Schnauze voll hatte und die Führung übernahm. Ich merkte, dass Bong nicht die hellste Fackel auf der Pyramide war.
Was wird uns hier draußen wohl erwarten? Aus meiner Tasche kramte ich den letzten Rest Brot und teilte mit meiner Weggefährtin. Wir werden Wasser brauchen. Und es wäre gut, eine Siedlung zu finden. Von mir aus auch mit Menschen, wenn es nicht anders ging.
Noch einmal richtete ich einen tiefen, aber sehr männlichen Seufzer in Richtung des staubigen Bodens, warf die verglommene Zigarre weg, stieg auf den Rücken meiner Gefährtin und gemeinsam ritten wir in den sich abzeichnenden Sonnenuntergang.
Desparado - Unterwegs
- Details
- Geschrieben von Vikate
Der Elegie zweiter Teil:
Nimm einen Donnervogel, haben sie gesagt, das ist ein treuer Freund und total handzahm, haben sie gesagt ...
In der Realität gehen mir die Verbände aus, weil das verdammte Vieh mich ständig beißt.
Wie so ein Vogel wohl schmeckt, frage ich mich.
Schon die Geräusche, die Bong macht, treiben mich in den Wahnsinn. Ein hysterischer Hahn vor der Kastration mit einer rostigen Scherbe täte es unter seiner Würde finden, dermaßen zu plärren. Ich würde ihn zurück anschreien, wenn das irgend etwas brächte.
Das mag klingen, als hätte ich schlechte Laune. Ist auch so. Ich bin hungrig, durstig, untervögelt und kein Jim Beam weit und breit.
Die Umstände sprechen gegen Zufriedenheit.
Das Geschaukel auf Bong macht es auch nicht besser.
Die Steppe langweilt mich. Büsche und Sand. Wer hat sich das ausgedacht? Nichts als Büsche und Sand. Als hätten gelangweilte Rieseneltern ihrer Kackbratze von einem Riesenkind einen Zen-Garten geschenkt. Der fand das doof und hat alles durcheinander geworfen.
Ich bin schon eine Woche unterwegs. Nichts ändert sich.
Ich könnte jetzt sogar Menschen vertragen. Aber nein: Nur Wind und die verstörenden Geräusche von Bong.
Wer mit sich selber spricht, steht kurz vor dem Wahnsinn, haben sie gesagt. Das waren bestimmt die gleichen Experten, die auch Donnervögel toll finden.
Was noch schlimmer ist: Mein Tabak geht zu Ende. Und Kakteen kann man nicht rauchen. Das habe ich probiert, da bekommt man Scheißerei drauf, wie die Wantler sagen täten.
Nun ja, vor mir der Horizont, unendliche Weiten, ich hasse es jetzt schon.
Mann, wie war ich doch glücklich in meiner mehrere 100 Quadratmeter großen Therme (grmpf) mit ohne Staub und Lärm. Nur ich und das Echo meiner Worte.
Das Geschnaube der Hydra, das vermisse ich.
Ob sich die Kinder freuen werden, wenn sie mich sehen? Wohl kaum. Ich werde nur der Onkel sein, der im Wasser atmen kann und ihre Kunststückchen gut findet. Wofür also das Ganze?
Ich sollte die Hydra wiederfinden, DAS wäre doch eine Aufgabe, aber NEIN ich stapfe hier durch die Einöde mit einem Vogel, der mich ansieht als plane er die Übernahme. Er kann geradeaus laufen und gleichzeitig zur Seite sehen, als wäre es ihm egal, wenn er in etwas läuft, das sollte einem doch zu denken geben.
Wenn ich noch eine einzige Eidechse essen soll, dann drehe ich durch, aber andererseits … jedesmal wenn ich Bongs Schenkel betrachte habe ich das Gefühl, er weiß, dass ich „Nuggets“ denke. Und er sieht mich böse an, aber dieses Viech kann wahrscheinlich nur böse gucken. Ich schau böse zurück, hilft aber nichts, der ist resistent und beißt mich. Ich frage mich, wieso wir diese Tiere nicht schon längst alle zu Steaks verarbeitet haben.
Der Tag geht wieder zu Ende, am Horizont nur Einöde.
Halt, nein, da sehe ich doch etwas, es sieht aus wie eine Siedlung.
Endlich mal was anderes.
Vielleicht etwas Nettes, wahrscheinlich aber etwas, das über kurz oder lang zappeln wird. Ich lockere Viikate und gebe Bong die Sporen.
Es riecht nach Ärger, Alkohol und einem Federbett mit Begleitung. Endlich ...
Desparado - Der Saloon
- Details
- Geschrieben von Vikate
Der Elegie dritter Teil:
[Was bisher geschah: Unser Held hat einen Donnervogel gefangen und durchquert auf ihm eine endlose Steppe auf der Suche nach seiner Familie, die angeblich im Aedificium lebt]
Wir reiten ein. Es ist tatsächlich eine Stadt.
Nun ja … ich zähle fünf intakte Gebäude: dem Anschein nach eine Art Markt, ein Vergnügungshaus, ein Gefängnis und zwei Wohnhäuser.
Kein Wesen auf der Straße. Ich versuche anzuhalten, um mitten auf dem Zentrum der „Stadt“ meinen Blick lässig schweifen zu lassen. Bong aber hat andere Ideen, er zieht einen uncoolen Abgang in Richtung Stallung vor.
So kommt es, dass ich vollkommen unfreiwillig vor der Bar/Spielhölle/Freudenhaus (alles Worte, die ich gleich noch lernen werde …) zum Stehen komme. Sein Kopf senkt sich in die Tränke.
„Dann friss halt! Und sauf Dich voll. Aber komm mir nachher nicht mit: 'Hach, ich bin so ein toller Vogel der Wildnis, blabla.'“
Das wohlige Gefühl im Magen, es dem Tiere, das mich laufend peinigt, gezeigt zu haben, gehen ich und mein Reststolz durch die windschiefe Tür in das Haus, aus dem die entsetzlich schräge Musik ertönt.
Vorher aber pflücke ich noch gekonnt einen Grashalm ab und stecke ihn gedankenverloren in den Mund. Warum auch immer...
Als sich die Tür hinter mir schließt, verstummt die Musik. Schon nachdem ich längst die Situation erfasst habe, drehen sich die vier im Raum befindlichen Personen nach mir um. Sie scheinen keinen Besuch gewohnt zu sein.
Der Musiker lässt die fies klingende Apparatur sinken, die Gäste an der Bar (keine Gegner …) ebenso ihr Getränk und der Hüne hinter der Theke wischt weiter sein Glas trocken. Ich warte kurz, bis sich meine Augen an das Zwielicht gewohnt haben und schlendere dann in Richtung eines vielversprechenden Getränkes.
Ich lehne mich, niemanden eines Blickes würdigend, an der Theke auf. Den Grashalm kauend, immer noch nicht wissend, wieso überhaupt.
Irgendwann grunzt mich etwas an: „Was willste?“
Lässig blicke ich hoch, nehme den Halm aus dem Mund und deute auf die Flaschen hinter dem fragenden Wirt: „Was haste?“
Der kichert völlig unerwartet. Stellt euch einen Typen von 2 Metern vor, Muskeln, Narben und Erfahrung aus drei Weltkriegen, der plötzlich kichert. Das irritiert.
Ich aber bleibe locker. Blicke in seine Augen, die Antwort auf meine Frage erwartend. Er blickt zurück.
Die Sekunden vergehen. Schweißtropfen bilden sich auf der Stirn der anderen Gäste, nur wir zwei Haudegen warten auf die nächstbeste Reaktion.
Jetzt weiß ich wofür der Grashalm gut ist: Man kann vollkommen cool darauf herumkauen, um die Wirklichkeit nicht erfassen zu müssen. Mein ganz persönliches Ablenkungsmanöver.
Er gibt erwartungsgemäß schließlich auf und greift hinter sich. Hervor kommt eine Flasche aus dunkelbraunem Ton. Er fragt mit zweifelhaftem Lächeln: „Grün?“
Ich: (nicke gnädig) „Passt.“ (Wieso sage ich so etwas? ... ach egal)
Sein Grinsen ist irritierend, besonders, als er es begleitend, einen humanoiden Schädel als Gefäß unter dem Tresen hervorholt und den Inhalt der Flasche darin ergießt. Ohne hinzusehen, mich immer im Blick. Dann reicht er mir die Knochenschale. Wortlos und auffordernd.
Ich denke nicht daran, seine Tat mit einer besonderen Reaktion aufzuwerten.
Ohne zu Zögern trinke ich die grüne Flüssigkeit, setze ab, sehe ihn an und sage: „War das alles? Auf einem Bein kann man nicht stehen, wo ich herkomme ...“
Desparado - Verwandlung
- Details
- Geschrieben von Vikate
Der Elegie vierter, sehr überraschender Teil, der in einem unerträglichen Cliffhanger gipfelt:
[Was bisher geschah: Unser Held hat mitsamt seinem Reitvogel eine Stadt erreicht und etwas getrunken.]
Uups.
Mir wird schummrig. In meinem Leben habe ich schon so viel Blut verloren, dass ich genau einschätzen kann, wenn es so weit ist, sich einfach mal auf den Boden zu legen, bevor die Schwerkraft mit überzeugenden Argumenten an einen herantritt.
Ich bemerke noch Schmerzen in meinen Händen und bereite mich darauf vor, demnächst all den Toten zu begegnen, denen ich zu Lebzeiten geholfen hatte, endgültig nie wieder zu nerven.
Das Letzte woran ich mich erinnere ist der Gedanke: „Mist, meine Zähne tun weh...“
Ich muss wohl eine Weile da gelegen haben. Als ich aufwache, schmerzt mein Hinterteil. Das zweite, was mir auffällt ist, dass ich nichts sehe. Oder zumindest nur sehr verschwommen.
Mann. Der Drink war wohl nicht von schlechten Eltern.
Ich denke nicht, dass der Wirt mich vergiften wollte, das hätte er sich niemals getraut. Und wer hat schon ständig Gift parat...?
Vielleicht ist auch meine tagelange Abstinenz schuld daran. Ich bin wohl nichts mehr gewohnt.
All das denkend, während ich noch auf dem Boden liege, beschließe ich, mich auf die Umgebung einzulassen. Ich höre so wenig, wie ich sehe. Alles ist bemerkenswert still.
Doch … den Wind und die knarzenden Türen des Hauses kann ich hören.
Ich scheine also tatsächlich alleine zu sein. Kurz sondiere ich meinen Körper. Außer am Ende des Rückens ist alles okay, auch keine Kopfschmerzen. Seltsam.
1,2,3 … ich spanne alle Muskeln an und springe mit einem erstaunlich eleganten Satz in die Senkrechte.
Dabei rufe ich laut „HA!“
Nein, zurück … ich dachte, dass ich das täte, in Wahrheit klang es gekrächzt nach: „Hwää!?“
Blitzschnell, erfasse ich die Situation.
Ich bin alleine im Saloon.
Ich sehe kaum etwas.
Meine Zähne fühlen sich seltsam an.
Meine Haut ist anders.
Und wenn ich die Hand bis kurz vor die Augen halte, bemerke ich, dass hier eine Maniküre fällig ist.
„Scheiße!“ schießt es mir durch meine sonst so wohlsortierten Gedanken.
Irgendetwas ist anders.
Das ist nicht gut.
Entgegen meiner üblich ruhigen Art werde ich nun doch nervös.
Mit den Klauen klopfe ich den mir bis dato völlig unbekannten Radetzkymarsch auf die Theke.
Ein Plan muss her...
Ich erinnere mich an Bong.
Vielleicht ist sie noch draußen und möglicherweise ist der Zauber ortsgebunden, dann muss ich nur weg und alles wird gut.
Draußen ist nur die leere Straße, keine Menschenseele weit und breit.
Die Sonne blendet.
Bong ist weg.
Ich überlege kurz und komme dann zum einzig richtigen Entschluss: Zurück in den Saloon, ein großes Glas und eine vielversprechende Flasche greifen. Trotzdem ich fast nichts sehe, hilft der Instinkt.
Schon oft wurde erzählt, dass sich andere Sinne schärfen, wenn ein paar versagen.
Kurze Zeit später wird es warm im Bauch und ich entspanne.
Als die Flasche leer ist, gehe ich näher an die Spiegelwand hinter dem Tresen heran.
Ich torkele, aber nur so, wie ein echter Mann es täte und sehe: Ich bin grün im Gesicht und habe Zähne, die so nicht wirklich praktisch sind.
Mannomann, was ist hier wohl passiert?
Desparado - Begegnungen
- Details
- Geschrieben von Vikate
Der Elegie fünfter Teil, der spät kommt, dann scharf auf der Zunge brennt und für den Connaisseur wenig überraschendes enthält.
Gerade, als ich mich im Spiegel ansehe, als wäre ich eine verpoppte Cracknutte mit Selbstzweifel, da öffnet sich auch schon die Tür zum Saloon.
Elegant wende ich mich herum, merke aber, immer noch total kurzsichtig zu sein, was mich spontan wieder extrem anpisst.
Zwei Schemen nähern sich dem Tresen. Einer fett, einer dürr. Beide mit Mütze. Die eine Stimme spricht zu mir und sagt: „Oha, Opfer!“, die andere sagt: „Mal gucken.“ Und ich weiß, verdammt nochmal nicht, was ich tun soll. So muss es sich anfühlen, uncool zu sein. Aber das werde ich nicht zulassen.
Ein Plan muss her, deshalb sehe ich mich um, finde eine Blutlache, tauche meinen Finger hinein und schreibe auf den Spiegel: PLN
Daraufhin nehme ich ein versifftes Geschirrtuch mit erstaunlicher Nonchalance für jemanden, der nicht weiß, wo, wer und wann er ist, finde ein Glas zum Drinrumwischen und wende mich über den Tresen hinweg den einzigen zwei Gästen zu.
Die scheinen aber keinerlei Interesse zu haben an der Bar und wollen einfach nur sitzen.
Ich wische und beobachte. Meine Augen fliehen links und rechts. Es ist niemand da, keine Bewegung, kein Menschengeruch, außer den beiden (habe ich das gerade gedacht?)
Die beiden unterhalten sich flüsternd. Irgendwann wird mir langweilig. Ich brülle: (zu meinem Erstaunen sehr unverständlich) WAS WOLLT IHR TRINKEN?
Sie sehen erschrocken rüber und vermelden: Nichts, Danke.
Ich ziehe Emotionen aus einer ganz anderen Metaebene (ja, ich wundere mich auch) und sage: „Dit jeht hier abba nicht. Wer sitzt muss konsumieren. Sonst abba raus mit euch beeden. Ich hätt dann noch ein Kännchen Kaffee zum Abschied. Klar?“
Der Dürre steht auf und fragt: „Ach ein Ork, der reden kann? Zähl mal und lass uns lachen.“
Er lacht.
Ich nicht.
Ich sage: „Dein Kopf.“
Er sagt: „Was ist damit.“
Ich: „Der gefällt mir.“
Er: „Mir auch. Haha, Geschmack hast Du ja.“
Ich wische und schaue ins Unklare. Mir doch erst mal egal, mal sehen, was noch so kommt.
Der eine von den Unnötigen holt irgendwann unter Blicken nach Links und Rechts einen Säbel raus, das sehe ich gerade noch so aus meiner Position heraus und er bietet ihn dem anderen an.
Ich gehe hin. Krieger des Wasservolkes, Hüter der Hydra, Bändiger des Bong, ich kenne mich aus. Ihr könnt nicht eine Flasche des besten Whiskeys öffnen und dann davon ausgehen, dass der Dorfalkoholiker nicht schnuppern kommt.
Ich frage: „Hmm, das ist ein schöner Säbel.“ Der Dürre, der die Waffe dem Dicken anbietet, grinst und sagt: „Siehst Du: selbst der Ork versteht Qualität zu schätzen.“
Der Dicke mit der, wie ich jetzt aus der Nähe sehe, überbordenen Fellmütze nickt nur. Ich gehe bis auf zwei Handbreit an die Waffe, die wohl feil angeboten wird, heran und denke mir meinen Teil.
Aus meinem Mund kommt: „Hmpf.“
Ich trete angewidert wieder zurück an die Bar.
Der Verkäufer, der sein Geschäft gestört fühlt, sagt: „Was ist los, Probleme?“
Ich wische das mittlerweile extrem saubere Glas zu seinem hygienischen Höhepunkt und meine: „Das ist ein Reitersäbel?“
„Ja, das stimmt, wieso? Das ist ein Original, im Einsatz der Armee von Tzar [XYZ] vor unserer Zeit, und immer noch so frisch und fähig wie dereinst, Probleme damit?“
„Hmm, was ist das Ding mit der fehlenden Parierstange?“
„Was soll damit sein?“
„Ich sag ja nur ...“
Jetzt greift der potentielle Käufer ein, sieht fragend den Verkäufer an und fragt: „Stimmt, was ist damit?“
Der Verkäufer wird giftig: „Wollt Ihr Einfaltstölpel wirklich auf einen verwirrten Ork hören oder mir glauben, dass das eine echte Waffe im Einsatz einer glorreichen Armee war?“ Er hält den glitzernden Stahl hin und die Augen des Käufers scheinen in unübersehbarer Gier.
Okeydoe, denke ich mir, die wollen den Deal einfädeln, ich habe besseres zu tun. Das Glas kann bestimmt noch sauberer werden.
Die beiden verhandeln hörbar laut über den Preis. Geld, Gold und andere Spielereien waren für ein Kind des Wasservolkes seit jeher unverständlich, ich frage mich nur, wieso die nix trinken wollen. Ich prüfe den Glanz des Glases im Licht der Petroleumlampe. Sie ist so was von sauber...
Ich stehe also da und versuche, ein Glas wegzurubbeln, als der Mann mit der verwirrenden Mütze mich doch etwas rüde anspricht: „Ej, was denn wegen dem Griff?“
Ich antworte: „Kannst Du reiten?“
Er: „Nein.“
Ich: „Kannst Du mit einem Säbel kämpfen?“
Er: „Das habe ich nie nötig gehabt! Dafür gibt es Soldaten!“
Ich: „Dann verstehst Du auch nicht, wieso der Säbel ein totaler Scheiß ist. Das ist doch nur etwas für Liebhaber des Prunks. Kein Kavallerist der Welt würde so etwas in die Hand nehmen, das ist sicher.“
Der Verkäufer sieht seine Felle wegschwimmen und funkelt mich an: „Was weißt Du schon, Du Ork, Du wirkst ohnehin etwas verwirrt.“ Er grinst seinen Kunden an und erwartet eine Zustimmung.
Ich denke kurz nach und sage: „Hier im Hinterzimmer habe ich jede Menge Menschenhälften. Wenn Du diesen schäbigen Prunksäbel in die Hand nimmst und ihn reinstichst, ohne Deine Hand aufzuschlitzen, denn entschuldige ich mich bei Dir.“
Ich ergänze grinsend: „Und ja, wir beide wissen, wieso Du Angst hast. You little prick.“ (Fremdspachen? Kann ich.)
Der kleine Ork und das Meer
- Details
- Geschrieben von Vikate
*Ich bring ihn um. Irgendwann … bring ich ihn um. Ohne viel Aufwand. Ich werde zu ihm gehen und sagen: 'So, jetzt stirbst Du'. Und dann ist er tot.*
Ich kaute an einem Knochen und hing meinen Gedanken nach. Es waren schöne Gedanken. Grün eingefärbte Phantasien.Grün-grün-grün. Schallalallala.
"VIKATE!"
Und da waren sie wieder, meine drei Probleme: Hier, Jetzt und Gronka.
"Komme schon!"
Ich schlenderte über das Floß, wich dem einen oder anderen Schlag und Tritt aus, sprang über die noch nicht weggeräumten frischen Leichen und warf einen kleinen Ork ins Wasser, weil er mir nicht gefiel.
Gluck … uuund weg war er. Der Alltag auf diesem beschissenen Floß war anstrengend genug und jetzt wieder etwas mehr Platz.
Am Ende dieses Spießrutenlaufs stand ich vor Gronka, der auf dem einzigen Möbelstück weit und breit saß: einer rotbraunen Holzkiste. Als sie vor ein paar Tagen noch beschriftet war mit: "NICHT ANFASSEN!", hatte der Boss noch alle Hände voll damit zu tun, die Meute abzuwehren, die wissen wollte, "was denn sonst passieren würde". Erst nachdem er die Schrift überdeckt hatte mit dem Blut der besonders Hartnäckigen, konnte er in Ruhe Platz nehmen.
Gronka musste seit Wochen schon nicht mehr geschlafen haben. Er hielt sich tapfer aufrecht.
Als Oberork durfte er keinen Moment der Schwäche zeigen, sonst würde er schnell "abgewählt" werden. Und jeder hier wusste, dass eine Wahl bei den Orks frei, gleich, öffentlich und mit total nicht geheimer Brutalität stattfindet.
Ich begrüßte ihn mit einem lässigen "Wossap?" und grinste schüchtern.
Er versuchte, mich mit grimmigem Blick zu fixieren, so gut er konnte: "Wieso wirfst Du Essen ins Wasser?"
"Schulligung, mein Fehler." Mit auf dem Rücken verschränkten Händen und abgewandtem Blick machte ich einen möglichst harmlosen Eindruck.
"Hör auf zu grinsen Du Made. Ich traue Dir nicht!"
"Du hast wie immer recht, großer Gronka."
"Hmpf."
…
…
Er sprang auf und hielt mir eine Keule an die Brust: "OI! Wie meinst Du das?"
"Ich traue mich auch nicht."
"Noch so ein Spruch und ich mache aus dir Mettaufstrich. Ich habe Hunger, hörst Du?!"
"Natürlich. Mett. Gute Wahl."
"Nenne mir einen Grund, wofür wir hier auf dem Meer einen Tierbändiger brauchen? Wo willst Du Deinen Räspäkt hernehmen, HÄÄ?"
*Ich bring ihn um. Ich bring ihn … Moment … was ist das?*
"Ein Vogel!"
Gronka folgte meinem Blick nach oben und sagte: "Und den willst Du bändigen?" Er brach in lautes, polterndes Gelächter aus.
"Nein."
"Aah, wir sollen ihn essen, als Beilage zum Mett?" Er deutete einem Bogenschützen, dann auf den Vogel, den der Schütze gekonnt ins Ziel nahm.
Mitten in der Luft getroffen, fiel der Vogel ins Wasser und versank.
Wir blickten ihm nach.
Irgendeiner aus der Meute hinter uns rief: "So, jetzt bändige ihn."
Gelächter.
Ich fühlte mich auch sehr müde.
Seit unzähligen Tagen trieb uns die Strömung über das Meer. Die gesamte Orkarmee, die drei Feldzüge mit Anstand und hochmotiviert vergeigt hatte, versammelt auf hunderten Flößen aus Stein. Niemand machte sich Gedanken, wie das funktionierte, keiner fragte, wohin es ging. Wir ernährten uns von dem Fleisch, das täglich anfiel und tranken salziges Wasser.
Man gewöhnt sich an alles. Die Stimmung war wie immer gut: alle waren wütend und bereit.
Im Grunde war ich stolz auf unsere Flotte. Nur Orks konnten so lange durchhalten, ohne die schlechte Laune zu verlieren und dem Wahnsinn zu verfallen. Gronka hielt die Menge zusammen und verhinderte das totale Chaos.
Der Arsch.
Ich mag Chaos. Es sorgt für Ruhe und reinigt. Chaos ist toll. Ohne Chaos ist nur … Stillstand.
Ich riss mich aus meinen Gedanken und brüllte über das Deck: "AARGH, ihr hinverbrannten Vollidioten!!! Gronka hat euch doch laut und deutlich gesagt, dass ein Vogel ein Zeichen dafür ist, dass wir uns Land nähern. Hätte nicht dieser Goblinpopel…" ich deutete auf den Bogenschützen, "den Vogel abgeschossen, dann könnte ich ihn bestimmt fragen, wo er herkommt. Jetzt geht das natürlich nicht mehr."
Das war gelogen ... wichtig ist nur, dass ein anderer schuld ist. Egal wie.
Ich blickte zu Gronka rüber, der sich nicht rührte. Mir war schon öfters aufgefallen, dass er anscheinend im Stehen mit offenen Augen schlafen kann.
Man muss ihn einfach respektieren, der hat seine Tricks.
Langsam schlenderte ich auf ihn zu und stupste ihn mit dem Griff meiner Peitsche an, während hinter mir ein jetzt unbekannter Bogenschütze ins Wasser "fiel".
"Chef?!"
Er bewegte genau ein Auge in meine Richtung, was ein wenig unheimlich aussah.
"Hm-Mh?"
"Der Vogel eben kam vom Festland, wir müssen nur dorthin … rudern … segeln … steuern …" Ich sah mich hektisch um auf der Suche nach einem besseren Wort "… treiben!"
Gronka schien auf einmal komplett wach und Herr der Lage: "Das ist ein gutes Zeichen!" Er reckte beide Hände in die Höhe und sprach zu der aufmerksamen Floß-Orkschaft: "WOLLEN WIR LAND EROBERN?!"
Die Meute schrie: "JA, das wollen wir!"
"GUT, dann holt den Schamanen, er kann uns den Weg weisen!"
Die Meute schwieg.
Gronka blickte zu mir und raunte: "Bum Vikate: wo ist der verdammte Schamane?"
"Mett."
Wir schwiegen uns eine Weile an. Das Volk wartete. Ich räusperte mich: "Okay, was machen wir jetzt?"
"Das, was Orks am besten können."
"Fressen, töten, plündern, poppen? Das sollte hier auf diesem FLOSS auf dem offenen MEER überhaupt kein Problem sein!"
Der große Ork wendete sich bedrohlich langsam zu mir. Ich war wohl etwas zu laut geworden.
Nur ein Gedanke kreiste in meinem Kopf. Der einzige Lichtblick auf diesem Kack-Floß der sich jetzt zwischen mich und den Mordplan stellte:
Mein Trumpf: ich kann schwimmen.
Gronka hob mahnend einen Zeigefinger: "Nicht zu vergessen, unsere reichhaltige Kulturtradition und der sorgsam gepflegte Mystizismus.[1]" Er schüttelte seufzend sein gewaltiges Haupt. "Vikate, manchmal muss ich mich sehr über Dich wundern."
"Mich wundert überhaupt nichts mehr …"
Wieder ein Schweigen, während wir auf dem Rand des Flosses in Richtung der untergehenden Sonne blickten.
Ich brach zuerst die Stille: "Und nun?"
Gronka nahm einen Schluck Salzwasser und rotzte ihn zurück ins Meer. Dann sagte er: "Wir warten."
Ich blickte kurz über die Schulter zu der grunzenden und schnaubenden Ork Schar.
"Ich will Deine Weisheit nicht anzweifeln. Aber das ist etwas, wo Orks so richtig schlecht drin sind."
Das war der Moment, als mich der größte aller Orks ins Wasser stieß …
[1] Falls sich jemand wundert: Auf Orkisch klingt das viel besser, wütender, hingerotzter. Kultur halt. Leider verliert sich der Effekt etwas in der Übersetzung. Aber ich bin mir sicher, ihr könnt euch das vorstellen.
Rodeo mit Fisch
- Details
- Geschrieben von Vikate
Ich versank wie ein Stein.
Die Wasseroberfläche in meinem Blick wurde auf meinem Weg hinab immer dunkler. Und dunkler. Noch unternahm ich keine Anstrengung zu schwimmen, sondern genoss erst einmal die angenehme Kühle und das herrliche Nass. Die verbleibende Luft behielt ich tief in meiner Lunge, so lange es ging und dachte darüber nach, ob der ironischste aller Tode mich ereilen würde: Ein ertrunkener Wasservölkler. Lange ist es her, seit ich aus dem Wasser stieg, zuerst im dichten Tropenwald mit der Hydra quatschte und dann in der Wüste die Gestalt eines Orks annahm.
Während der Druck im Wasser zunahm, träumte ich die Bilder meines langen Lebens, das doch erst ein paar Jahre dauerte.
Ich hatte keine Ahnung, ob ich noch immer im Wasser Luft holen können würde. Früher schien es so selbstverständlich zu sein wie … nun ja: atmen.
Aber ohnehin hatte ich auch keine Ahnung, wie es zu der Verwandlung kam.
Kurz dachte ich noch an meine beiden kleinen Zentauren im Aedificium (Was die wohl machen? …) und sog dann tief Wasser in meine Lunge.
Und lebte weiter. Ein klein wenig überrascht, öffnete ich die Augen und sah, wie um mich herum ein Fischschwarm auseinanderstob.
Alles glitzerte und rauschte und sauste, es war einfach nur schön.
Ja, und dann sah ich, wieso der Schwarm sich beeilte: der große Schatten war dann wohl doch nicht eines der Flöße über mir, sondern natürlich ein riesiger Wal.
So schnell wie daraufhin hatte ich mich schon lange nicht mehr bewegt. Hui, war ich auf einmal wach!
Ich weiß gar nicht, ob ihr es wusstet, aber man kann mit der nötigen Panik im Nacken und ein wenig Anstrengung im Wasser ganz schnell wenden.
Ich stieß mich kräftig mit einem Beinschlag in Richtung Wasseroberfläche, drehte mich dann einmal, so dass meine Füße nach oben zeigten, den Schwung immer noch mitnehmend und zog die Peitsche aus meinem Gürtel. Als der Wal ganz knapp unter mir, dort wo ich eben noch geschwebt hatte, vorbeizog, gleich einer unaufhaltbaren Naturgewalt, hielt ich die Peitsche wie eine Schlinge zwischen beiden Händen und blieb an ein paar Zähnen hängen.
Die Kunst jetzt war, bloß nicht loszulassen.
An die folgenden Minuten oder vielleicht Stunden erinnere ich mich nicht genau.
Da war nur ein hartnäckiger Drang, NIEMALS loszulassen.
Mein Körper, der sich verzweifelt an die Peitsche klammerte, wurde hin- und her geschleudert, rauf und runter.
Bis ich dann irgendwann endlich auftauchte. Der Wal musste Luft holen und deswegen zur Oberfläche.
Mit zitternden Beinen stand ich aufrecht und atmete wieder Luft, die Peitsche wie ein Zügel immer noch im Maul des Wals.
Hinter mir erklang plötzlich ein tosendes Geräusch, wie ein Wasserfall, ich drehte mich um und sah die Fontäne, die aus dem Luftloch am Rücken des Riesenfisches [1] in den Himmel schoss.
Und ebenso sah ich etwas, womit ich nicht gerechnet hätte: die Orkfloßflotte! Nach all der Zeit, der zurückgelegten Strecke, dem harten Kampf, ist das Vieh tatsächlich einmal im Kreis geschwommen.
Erst war wieder Stille, ich sah, wie sich meine Kameraden gegenseitig anstießen und auf mich zeigten, der ich auf einem Wal dahergeritten kam. Ich winkte erschöpft, aber als ich die beeindruckten Gesichter sah, streckte ich eine Faust in die Höhe und rief laut "Jieha!" (Warum auch immer, keine Ahnung, das kam einfach so raus…)
Danach geschah etwas, womit ich Idiot nicht gerechnet hatte. Ich hätte es aber kommen sehen müssen.
Das sind ja alles Orks.
Hungrige, gelangweilte Orks auf Kriegszug …
Ich konnte gar nicht so schnell "IHR HABT JA WOHL DEN ARSCH OFFEN!" schreien, wie ich bombardiert wurde mit Pfeilen, Speeren, Steinen, Rüstungsteilen und ganzen Orks.
Sie beabsichtigten bestimmt, den Wal zu erwischen, aber ich bin mir nicht sicher, ob manche absichtlich zu hoch zielten.
Wie durch ein Wunder blieb ich dank einiger schneller Tanzschritte unversehrt, der Wal aber tauchte sofort ab, um Schutz zu suchen.
Er war aber zu schwer verletzt und nach wenigen letzten Anstrengungen trieb er wieder reglos nach oben. Um mich herum paddelte sich die glorreiche orkische Flotte heran und hackte dann nach und nach das Tier in Stücke.
Ich habe dabei nicht mehr zugesehen, sollten sie ihren Spaß haben.
Mir war es jetzt wichtiger, fest schwankenden Boden unter den Füßen zu haben und ein wenig zu verschnaufen.
Pudelnass robbte ich mich zu einer freien Stelle des Steinfloßes und schloss müde die Augen.
"VIKATE!"
*Nein-nein-nein-nein-kann-doch-nicht-wahr-sein*
Hinter mir baute sich der große Gronka auf und warf seinen Schatten auf meine frierende Gestalt.
Ohne hochzusehen, den Kopf zwischen die Knie gestützt, presste ich in perfektem einhornvöglerisch hervor: "Heil Dir, oh Du mein Chef!"
"Lass das. Dein clantonisch kannst Du Dir in den Ar … HEJ!"
Gronka wurde in seiner Motivationsansprache unterbrochen, weil ihn ein großer Klumpen fetten Fleisches in den Rücken traf. Irgendwer schrie laut: "Das Herz für Gronka!" und alle gröhlten und jubelten.
Das war der Moment, als der größte aller Orks ging, um sich feiern zu lassen …
Und ließ einen kleinen, frierenden und hungrigen Tierbändiger zurück, der murmelte: "Gern geschehen."
Und dann lauter: "Ihr Arschgeigen!"
Und dann ganz leise: "Ich hasse euch alle …"
Mit diesem wohligen Gefühl schlief ich ein und träumte von einem Vogel in der Hand eines Menschen mit langem weißen Rauschebart und einem noch weisseren Kleidchen an.
[1] Jaha, wir wissen es … Vikate aber nicht …