Ich versank wie ein Stein.

Die Wasseroberfläche in meinem Blick wurde auf meinem Weg hinab immer dunkler. Und dunkler. Noch unternahm ich keine Anstrengung zu schwimmen, sondern genoss erst einmal die angenehme Kühle und das herrliche Nass. Die verbleibende Luft behielt ich tief in meiner Lunge, so lange es ging und dachte darüber nach, ob der ironischste aller Tode mich ereilen würde: Ein ertrunkener Wasservölkler. Lange ist es her, seit ich aus dem Wasser stieg, zuerst im dichten Tropenwald mit der Hydra quatschte und dann in der Wüste die Gestalt eines Orks annahm.

Während der Druck im Wasser zunahm, träumte ich die Bilder meines langen Lebens, das doch erst ein paar Jahre dauerte.

Ich hatte keine Ahnung, ob ich noch immer im Wasser Luft holen können würde. Früher schien es so selbstverständlich zu sein wie … nun ja: atmen.
Aber ohnehin hatte ich auch keine Ahnung, wie es zu der Verwandlung kam.
Kurz dachte ich noch an meine beiden kleinen Zentauren im Aedificium (Was die wohl machen? …) und sog dann tief Wasser in meine Lunge.
Und lebte weiter. Ein klein wenig überrascht, öffnete ich die Augen und sah, wie um mich herum ein Fischschwarm auseinanderstob.
Alles glitzerte und rauschte und sauste, es war einfach nur schön.

Ja, und dann sah ich, wieso der Schwarm sich beeilte: der große Schatten war dann wohl doch nicht eines der Flöße über mir, sondern natürlich ein riesiger Wal.
So schnell wie daraufhin hatte ich mich schon lange nicht mehr bewegt. Hui, war ich auf einmal wach!

Ich weiß gar nicht, ob ihr es wusstet, aber man kann mit der nötigen Panik im Nacken und ein wenig Anstrengung im Wasser ganz schnell wenden.
Ich stieß mich kräftig mit einem Beinschlag in Richtung Wasseroberfläche, drehte mich dann einmal, so dass meine Füße nach oben zeigten, den Schwung immer noch mitnehmend und zog die Peitsche aus meinem Gürtel. Als der Wal ganz knapp unter mir, dort wo ich eben noch geschwebt hatte, vorbeizog, gleich einer unaufhaltbaren Naturgewalt, hielt ich die Peitsche wie eine Schlinge zwischen beiden Händen und blieb an ein paar Zähnen hängen.

Die Kunst jetzt war, bloß nicht loszulassen.
An die folgenden Minuten oder vielleicht Stunden erinnere ich mich nicht genau.
Da war nur ein hartnäckiger Drang, NIEMALS loszulassen.
Mein Körper, der sich verzweifelt an die Peitsche klammerte, wurde hin- und her geschleudert, rauf und runter.

Bis ich dann irgendwann endlich auftauchte. Der Wal musste Luft holen und deswegen zur Oberfläche.
Mit zitternden Beinen stand ich aufrecht und atmete wieder Luft, die Peitsche wie ein Zügel immer noch im Maul des Wals.
Hinter mir erklang plötzlich ein tosendes Geräusch, wie ein Wasserfall, ich drehte mich um und sah die Fontäne, die aus dem Luftloch am Rücken des Riesenfisches [1] in den Himmel schoss.
Und ebenso sah ich etwas, womit ich nicht gerechnet hätte: die Orkfloßflotte! Nach all der Zeit, der zurückgelegten Strecke, dem harten Kampf, ist das Vieh tatsächlich einmal im Kreis geschwommen.
Erst war wieder Stille, ich sah, wie sich meine Kameraden gegenseitig anstießen und auf mich zeigten, der ich auf einem Wal dahergeritten kam. Ich winkte erschöpft, aber als ich die beeindruckten Gesichter sah, streckte ich eine Faust in die Höhe und rief laut "Jieha!" (Warum auch immer, keine Ahnung, das kam einfach so raus…)

Danach geschah etwas, womit ich Idiot nicht gerechnet hatte. Ich hätte es aber kommen sehen müssen.
Das sind ja alles Orks.
Hungrige, gelangweilte Orks auf Kriegszug …
Ich konnte gar nicht so schnell "IHR HABT JA WOHL DEN ARSCH OFFEN!" schreien, wie ich bombardiert wurde mit Pfeilen, Speeren, Steinen, Rüstungsteilen und ganzen Orks.
Sie beabsichtigten bestimmt, den Wal zu erwischen, aber ich bin mir nicht sicher, ob manche absichtlich zu hoch zielten.
Wie durch ein Wunder blieb ich dank einiger schneller Tanzschritte unversehrt, der Wal aber tauchte sofort ab, um Schutz zu suchen.
Er war aber zu schwer verletzt und nach wenigen letzten Anstrengungen trieb er wieder reglos nach oben. Um mich herum paddelte sich die glorreiche orkische Flotte heran und hackte dann nach und nach das Tier in Stücke.
Ich habe dabei nicht mehr zugesehen, sollten sie ihren Spaß haben.
Mir war es jetzt wichtiger, fest schwankenden Boden unter den Füßen zu haben und ein wenig zu verschnaufen.

Pudelnass robbte ich mich zu einer freien Stelle des Steinfloßes und schloss müde die Augen.
"VIKATE!"
*Nein-nein-nein-nein-kann-doch-nicht-wahr-sein*
Hinter mir baute sich der große Gronka auf und warf seinen Schatten auf meine frierende Gestalt.
Ohne hochzusehen, den Kopf zwischen die Knie gestützt, presste ich in perfektem einhornvöglerisch hervor: "Heil Dir, oh Du mein Chef!"

"Lass das. Dein clantonisch kannst Du Dir in den Ar … HEJ!"
Gronka wurde in seiner Motivationsansprache unterbrochen, weil ihn ein großer Klumpen fetten Fleisches in den Rücken traf. Irgendwer schrie laut: "Das Herz für Gronka!" und alle gröhlten und jubelten.
Das war der Moment, als der größte aller Orks ging, um sich feiern zu lassen …

Und ließ einen kleinen, frierenden und hungrigen Tierbändiger zurück, der murmelte: "Gern geschehen."

Und dann lauter: "Ihr Arschgeigen!"

Und dann ganz leise: "Ich hasse euch alle …"

Mit diesem wohligen Gefühl schlief ich ein und träumte von einem Vogel in der Hand eines Menschen mit langem weißen Rauschebart und einem noch weisseren Kleidchen an.


[1] Jaha, wir wissen es … Vikate aber nicht …